Umweltzustand

Alleiniges festgeschriebenes Bewertungsmerkmal der MSRL ist der gute Umweltzustand. Es gibt also nicht wie bei der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) fünf Klassen, in denen der Umweltzustand einzuordnen ist, auch wenn es eine weitere rein verbal-deskriptive Unterteilung gibt.

Die Bewertung erfolgt auf Basis eines ökosystemaren Ansatzes (Integration von spezifischen Arten und unterschiedlichen Habitaten) und nicht durch die Bewertung einzelner, isoliert betrachteter Qualitätskomponenten der Ökosysteme wie bei der WRRL. Die Richtlinie führt elf verschiedene Deskriptoren auf, die für die Bewertung des Umweltzustandes zu verwenden sind. Diese beinhalten sowohl Deskriptoren für Belastungen als auch biologische Deskriptoren:

  • D1 – Biodiversität  –  ist zu erhalten. Die Qualität und das Vorkommen von Habitaten sowie die Verteilung und Häufigkeit von spezifischen Arten entsprechen den natürlichen physiogeographischen, geographischen und klimatischen Verhältnissen.
  • D2 – Nicht-heimische Arten  –  die durch menschliche Aktivitäten eingeführt wurden, befinden sich in einem Stadium (der Verbreitung und Häufigkeit), bei dem das Ökosystem nicht nachteilig verändert wird.
  • D3 – Kommerziell genutzte Fisch- und Muschelarten  –  befinden sich innerhalb biologisch, gesicherter Grenzen – die Alters- und Größenstruktur der Population sind kennzeichnend für einen gesunden Bestand.
  • D4 – Nahrungsnetze  –  alle Elemente der marinen Nahrungsnetze (soweit bekannt) sind bezüglich Häufigkeit und Diversität auf einem Niveau vorhanden, das eine langfristige Erhaltung der Art und die Aufrechterhaltung ihres vollen reproduktiven Vermögens gewährleistet.
  • D5 – Eutrophierung  –  ist minimiert, vor allem davon ausgehende nachteilige Effekte wie Verlust der Biodiversität, Verschlechterung der Ökosysteme, gesundheitsschädliche Algenblüten oder Sauerstoffzehrung im Bodenwasser.
  • D6 – Meeresbodenintegrität  –  ist auf einem Niveau, bei dem die Struktur und Funktion der Ökosysteme gesichert sind und benthische Ökosysteme im speziellen nicht negativ beeinflusst werden.
  • D7 – Hydrologische Veränderungen /Störungen  –  dauerhafte Veränderung der hydrographischen Bedingungenhaben keine negativen Auswirkungen auf marine Ökosysteme.
  • D8 – Schadstoffe  –  sind auf einem Niveau, bei dem sich keine zunehmenden Belastungen bzw. Verunreinigungseffekte ergeben.
  • D9 – Schadstoffe in marinen Nahrungsmitteln  –  übersteigen nicht die etablierten Schwellenwerte, die durch die EU Gesetzgebung oder andere relevante Standards festgesetzt wurden.
  • D10 – Abfall /Müll  –  die Bestandteile und Mengen verursachen keine Schädigung der küstennahen und marinen Umwelt.
  • D11 – Energie  –  das Einbringen von Energie (Licht, Elektromagnetische Strahlungen), inklusive Unterwasserlärm, ist auf einem Niveau bei dem keine negativen Auswirkungen auf die marine Umwelt zu erwarten sind.

Durch die ökosystemare Ausrichtung der Richtlinie sind vor allem für die biologischen Deskriptoren teilweise sehr komplexe Prozesse und Abhängigkeiten zwischen den ökosystemaren Ebenen für eine adäquate Bewertung zu berücksichtigen. In Berichten zur jedem Deskriptor wurden deshalb von Expertengruppen Kriterien definiert, anhand derer der jeweilige Deskriptor beschrieben werden kann. Für jedes dieser Kriterien sind Indikatoren zu entwickeln und so miteinander zu integrieren, dass eine Bewertung der einzelnen Deskriptoren und daran anschließend des Umweltzustandes möglich wird.

Bis zum 15. Juli 2012 sollten die Mitgliedsstaaten auf Basis vorhandener Daten den derzeitigen Zustand (Anfangsbewertung) dokumentieren, den zu erreichenden guten Umweltzustand („Good Environmental Status“ GES) beschreiben, Umweltziele sowie Indikatoren für die Bewertung definieren und die vorhandenen Lücken bei Datenlage, und Monitoring zu dokumentieren. Bis 2014 sollten Überwachungsprogramme aufgestellt und umgesetzt sein und Maßnahmeprogramme für die Zielerreichung bis 2015 festgelegt werden.

Parallel zu den nationalen Bemühungen zur Anfangsbewertung, Indikatorendefinition und Lückenanalyse fördert die EU internationale Projekte, die sich mit dem integrierenden ökosystemaren Ansatz beschäftigen. Die MariLim GmbH ist sowohl auf nationaler Ebene als auch auf internationaler Ebene an Projekten zur Umsetzung der MSRL beteiligt. MariLim trägt zur Erstellung der nationalen MSRL-Zustandsberichte bei (Cluster 2: Umsetzung der MSRL im Rahmen der AWZ-Forschung des Bundesamts für Naturschutz, kurz BfN), entwickelt einen Indikator für HELCOM (CumI) und Deutschland zur Bewertung kumulativer physikalischer Störungen und betreibt Forschung zur MSRL und den Möglichkeiten ökosystembasierter Bewertungen im Rahmen der EU-Projekte DEVOTES (NEAT-Software) und GES4SEAS.

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